In diesem Brief findet ihr Impulse, wie wundersam das Aushalten von Unsicherheit sein kann, wie man Intuition als Entscheidungshilfe kultiviert und was mich zum Thema ‚Nachhaltigkeit‘ kürzlich inspiriert hat. Last but not least: die Essentials aus meinem Vortrag „Vom rationalen zum emotionalen Denken“, den ich vor 250 Managern in Zürich halten durfte.

Die Leere aushalten

Der Aufbau einer Unternehmung ist sicher kein leichtes Unterfangen. Jedoch ist es für mich wohl das aufregendste und formende Erlebnis bis jetzt:

- Aufregend daher, weil ich permanent Dinge zum ersten Mal machen darf. Ohne Rückhalt durch ein Unternehmen, einen Chef oder Geschäftspartner, der einen retten könnte, oder die vermeintliche Sicherheit eines Senior-Titels. Ich bin einfach nur ich selbst. Auch wenn dies grossen Initialaufwand fordert, so ist es eine Zeit, in der ich fast täglich wachse. Ich setze mich mit Themen intensiv auseinander, werde gefordert einst Erlebtes in einen neuen Kontext zu übersetzen, anzuwenden und arbeite genau auf den einen Moment hin: ein Kundentermin, ein Vortrag, ein Akquisegespräch. Bei dem ich genau dieses ‚neue’ Wissen, die eigenen Gedanken, teile. Was daran aufregend ist? Der Moment der Unsicherheit. Nicht zu wissen, ob der eigene Gedanke verstanden sowie anerkannt wird oder gar inspiriert. Der kurze Augenblick des Schweigens, der gefühlt Minuten gehen kann und der, zumindest bei mir, ein Gefühl des Schwebens ohne Sicht auf den Boden auslöst.

- Formend, da der Moment des Schwebens eine Leere auslöst, die ich gelernt habe zu geniessen. Das Gefühl, wie oben beschrieben, keine Reissleine zu haben, lässt mich wieder lernen, mich auf meine eigene Erfahrung zu verlassen und ausgehend von dieser zu argumentieren. Ein wenig, wie ein Kind, das einmal in die brennende Kerze gefasst hat. Es wird zukünftig nicht nur vermeiden in eine Kerze zu fassen, sondern wird auch vorsichtig sein, wenn es am Lagerfeuer mit Freunden sitzt. Die Kunst, diese Leere zu geniessen, steckt darin, einst Erlebtes in den Moment zu übersetzen und die Leere nicht als Gefahr (Lagerfeuer) zu sehen, sondern zu geniessen (wärmendes Feuer).

Ein Weg diesen Transfer von Erlebtem ins Jetzt zu trainieren, ist durch die Schärfung unserer Sinne. Jack Ma, Gründer von Alibaba, hat dies in einem mitreissenden Interview auf dem WEF 2018 in Davos beschrieben. Der ehemalige Lehrer nutzt das Bildungssystem als Beispiel, um deutlich zu machen, wie entscheidend es zukünftig sein wird, unsere ‚Soft-Skills‘ zu reaktivieren.

Der Mythos Bauchgefühl

Wie sorgenfrei wäre eine Welt, in der ich alles kinderleicht aus meinem Bauch heraus entscheiden könnte. Von der Wetterprognose „Ich fühle, dass es heute noch regnet“, bis hin zur Geschäftsentwicklung „Ich weiss einfach, dass das der richtige Weg für unser Unternehmen ist“. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Intuition ist ein ungenutztes Potential, das, wie alles wertvolle im Leben, erlernt werden muss.

Andrew McAfee, MIT Cambridge USA – ein Herr der für mich immer wieder eine grosse Inspirationsquelle ist – hat dies 2010 in seinem Harvard Business Review Beitrag sogar drastischer formuliert. „Following intuition is a deeply misguided advice“.

Was meint der digitalen Vordenker damit? Es geht nicht um ein naives folgen eines Gefühls, sondern…
…es braucht Zeit Intuition zu entwicklen.
…die Fähigkeit des aktiven Zuhörens und Wahrnehmens muss zuerst trainiert werden
…die Basis für Intuition sind wir selbst, es braucht Konsistenz in der eigenen Wahrnehmung, um diese Kraft nutzen zu können. Wie das geht? Lest diesen Artikel von mir: ‚ZERO is the light‘

Heute, knapp 10 Jahre später, fand ich im Forbes Magazin ein Interviewmit Ryan Caldwell, Gründer des rasant wachsenden Technologie-Unternehmens MX Technologies. Ryan beschreibt eindrücklich, was es unternehmerisch bedeutet auf die eigene Intuition zu vertrauen. Am Ende lässt es sich mit Klarheit zusammenfassen. Klarheit, wer ich bin. Klarheit, was das unternehmerisch bedeutet (=Werte). Klarheit, in Worten und Verhalten. Klarheit, um konsequente Entscheidungen zu treffen.

Ich gebe den Herren McAfee und Caldwell Recht:
In der Intuition liegt ein enormes Potential, das uns unabhängiger klare Entscheidungen treffen lässt, da sie aus uns selbst heraus getroffen werden. Es gilt diese kaum genutzte Stärke zu reaktivieren und zu kultivieren, um sie anwenden zu können. Ich mag den Vergleich mit Sport: Würde ich mir heute einfach so vornehmen täglich Sport zu machen, würde ich das vermutlich fünf Tage durchhalten. Um jedoch Sport als Selbstverständnis in meinen Alltag zu integrieren, braucht es Konsequenz, Ausdauer und den starken Glauben, dass es mir einen Mehrwert stiftet. Nicht anders ist es mit der Intuition.

„Intuition ist keine Willkür und auch kein sechster Sinn, es ist eine Form von Intelligenz“, sagte Prof. Gerd Gigerenzer, Direktor Max-Planck-Institut Berlin. Für mich ist es die Fähigkeit, Wissen (Ratio) mit Gefühl (Emotion) zu verbinden und in den Moment zu übersetzen.I am text block. Click edit button to change this text. Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit. Ut elit tellus, luctus nec ullamcorper mattis, pulvinar dapibus leo.

"Intuition ist keine Willkür und auch kein sechster Sinn, es ist eine Form von Intelligenz".- Prof. Gerd Gigerenzer

Wie Intuition als Denk- und Lebensstil kultiviert werden kann, habe ich auf der Frühjahrstagung des spm Verband in Zürich vortragen dürfen. 250 Manager aus der Schweiz waren meine Zuhörer und der Veranstalter hat hierfür eine inspirierende Bühne geboten. Ein Teaser (3 Minuten) ist hier zu finden. Wer Zeit und Muse hat, kann auch dem 30-minütigen Vortrag lauschen.

Was mich kürzlich inspiriert.

Nachhaltigkeit wird vermutlich bald als Unwort des Jahres gekürt. Jeder Unternehmer, aber auch mein privates Umfeld, stimmt ein in den Chor „Ja, wir müssen uns dem Thema annehmen“. Es gibt die wildesten Ideen, wie das umzusetzen ist. Der Eine strebt eine ISO Zertifizierung für seine Firma an, der Nächste kauft nur noch regionale Produkte und ein Anderer verzichtet auf das Fliegen innerhalb der EU, geniesst jedoch jeden Morgen sein Avocado-Toast (Wie kommt die Avocado aus Mexico in die Schweiz?). Was Nachhaltigkeit als Gesamtes bedeuten kann, durfte ich erfahren, als ich einige Monate in Holland gelebt habe.

Ein Land, in dem Städte wie Amsterdam bereits unterhalb des Meeresspiegels liegen, betrifft jede noch so kleine Klimaveränderung unmittelbar. Umso schöner zu erleben, was dieser Umstand mit dem Denk- und Lebensstil der Holländer macht. Die Holländer haben eine enge Verbindung zur Natur. Das zeigt sich nicht zuletzt in der konsequenten Umsetzung im Bereich E-Mobility, sowie zahlreichen Impact Start-ups oder nachhaltigen Food-Konzepten.

Jack Bean, ein veganes Fast Food Start-up:
Einer der Gründer, ein Star-Koch aus Rotterdam, wollte beweisen, dass veganes Essen nicht nur gut schmecken kann, sondern auch satt macht und nachhaltig herzustellen ist. Dieses junge Team nutzt ausschliesslich Produkte, die in der Region angebaut werden (bspw. keine Avocado oder Quinoa). Sie haben einen digitalen Bestellprozess über Tablets bis hin zu Geschirr aus nachwachsenden Rohstoffen. Zielpublikum: Männer, die sich gesund ernähren wollen, aber nicht auf Geschmack verzichten mögen. Nachhause geliefert wird auch, jedoch nur mit dem Fahrrad-Kurier oder E-Scooter und natürlich in recycelbaren Boxen. Grossartiges, ganzheitliches Konzept, mit Entwicklungs-Potential.

Hiermit kommt diese Episode zum Ende. Danke für die Aufmerksamkeit und dem Folgen meiner Impulse.