In dieser Ausgabe des Letter of Inspiration wage ich eine Annahme, was ein gutes Leben heute ausmacht und was das mit dem eigenen Charakter zu tun hat. Zudem spreche ich über das Rezept für Erfolg und mein Retreat, welches im März mit den Vordenkern aus Wirtschaft, Philosophie und Kulinarik einen einmaligen Ort zum Denken und Sein bietet.

Ein gutes Leben

Früher galt ein Leben als gut, wenn man sich alles leisten konnte. Alles war meistens klassifiziert mit mindestens einem Sommer- und Winterurlaub im Jahr, zwei Autos, einem Haus, vielleicht sogar einem Ferienhaus noch irgendwo im Süden. Die neuen Generationen haben weder einen Führerschein, noch lernen sie das Skifahren in der Schule. Interkontinental Flüge werden in Zeiten von Greta und dem überall spürbaren Klimawandel kritisch hinterfragt. Und Essen gehen? Ja, aber bitte vegan und mit regionalen Produkten. Ein gutes Leben: Was bedeutet das heute?

Luxus verabschiedet sich vom Überfluss

Mit dem Konsum ist es ähnlich, wie mit dem monatlichen Gehalt: Bis zu einer gewissen Höhe freuen wir uns noch über die Gehaltserhöhung. Ab einem bestimmten Punkt ist jedoch der Grenznutzen erreicht. Es kümmert uns nicht mehr, denn der nächste Sprung müsste ein immens grosser sein, um einen Unterschied in unserem Lebensstil auszulösen. Die letzten 40 Jahre waren gute Jahre. Was ich damit meine? Es hat uns an nichts gefehlt. Es war alles verfügbar und wenn, dann haben wir uns eher die Fragen nach dem 'Mehr' gestellt, aber nie nach dem 'Ob'. Der natürliche Reflex von ständiger Verfügbarkeit führt zur Abwendung, da langweilig. Ähnliches passiert mit dem Konsum. Er ist vulgär geworden, denn wir wollen nicht das nächste Sterne-Restaurant testen oder noch ein Auto kaufen. Auch braucht es das Haus in Spanien nicht mehr, denn die Kinder fliegen wegen ihres CO2-Fussabdrucks nicht mehr. Das Ende des Konsums führt zu einer Neuausrichtung des Luxus. Das Reduzieren, einen minimalistischen Lebensstil führen, scheint die Folge des Wohlstands zu sein.

Der einfache Lebensstil

Luxus hatte immer einen Abgrenzungsnutzen, der sich durch beschränkte Verfügbarkeit oder einen hohen Preis dargestellt hat. Nun banalisieren Plattform-Modelle wie booking.com oder UBER, aber auch Anbieter wie easyJet ein Gut, das lange nur denen, mit dem ‘guten Leben’ vorbehalten war. Heute hat jeder Zugang zu einem Top-Deal im 5* Hotel, der Chauffeur (UBER) holt einen vom Flughafen ab und der eigentliche Flug kostet nur 39.00 CHF. Wenn Luxus plötzlich demokratisiert wird, spätestens dann stösst dies einen Wendepunkt an. Hinzu kommen die neuen Wege der Kommunikation, die mehr visuell als verbal sind. Das perfekte Instagram-Bild löst die Postkarte aus dem Urlaub ab und WhatsApp erlaubt uns, trotz tausenden Kilometern Distanz, ständig mit unserer Familie und Freunden verbunden zu sein. Am Ende sehnen wir uns nach einer Pause. Eine Pause von all der Verfügbarkeit, dem imperfekten Moment, an den man sich erinnert, weil er eben nicht aussieht, wie aus einer Werbeanzeige abfotografiert.

Ein ausgeprägter Charakter

Zum Zulassen des Imperfekten gehört Mut. Wir wurden Jahrzehnte lang trainiert, wie ein gutes Leben auszusehen hat und nun sollen wir das einfach vergessen? Schwierig, und gleichwohl öffnet das einen neuen Weg. Ich wage die These, dass der neue Luxus stark mit der Persönlichkeit verbunden ist. Je stärker wir unseren Charakter ausbilden, desto stärker wird unser ‘neues Luxusgefühl’ sein. Der Weg zum guten Leben der neuen 20er Jahre läutet die Ära der Künstler ein. Wen dieser Gedanke interessiert, kann hierzu meinen Artikel „Das Zeitalter der Künstler“ lesen.

Rückblick: Mein Circle of Inspiration in St. Moritz

Wir müssen den Ursprung kennen, um die Konsequenzen zu verstehen. Die Frage, wie Unternehmer Relevanz in dieser neuen Zeit generieren, war das Kernthema meines letzten Circle of Inspiration (klick für Details). Gemeinsam mit einer intimen Gruppe geladener Gäste habe ich bei Hauser & Wirth in St.Moritz über die Kunst der Kontext-Kreation bei einem Dinner inmitten des inspirierenden Umfelds der Galerie diskutiert. Am Beispiel der aktuellen Ausstellung hat Direktor Stefano Rabolli Pansera uns mit seinen Geschichten in den Bann gezogen und eine anregende Tisch-Diskussion mit den anwesenden Gästen motiviert. Zusammenfassend wurde klar: Je genauer wir den Kern verstehen, desto besser sind wir in der Lage ihn zu vermitteln. Wozu braucht es das? Um Relevanz und somit Bedeutung in einer Zeit, in der alles verfügbar ist, zu erzeugen.

Was mich kürzlich inspiriert hat: Ein Rezept für Erfolg.

Meine Leidenschaft liegt darin, Momente der Inspiration für Führungspersönlichkeiten zu kuratieren. Das hat den wunderbaren Nebeneffekt, dass ich mit vielen spannenden Menschen Gespräche führen darf. Die wirkliche Kunst dahinter entsteht jedoch erst durch das Verbinden und Verdichten meiner Beobachtungen. Nun, nach ein paar kürzlichen Treffen, glaube ich “ein Rezept für Erfolg” erkannt zu haben.

Seinen eigenen Weg gehen: Eine inspirierende Begegnung hatte ich mit einem Antiquitätenhändler und Restaurator in Zürich. Er hat mir von seinen Berufsanfängen erzählt: Alle Kollegen sind zum Studieren und er hat sich entschieden einen handwerklich Beruf zu erlernen. Oft wurde er dafür belächelt. Heute sagt er - zurecht mit Stolz - “Ja, das was ich heute tue, können nur noch ganz Wenige. Ich würde daher schon sagen, dass ich erfolgreich bin.” Der Herr von dem ich erzähle, ist heute über 70 Jahre. Er sagt es geht ihm sehr gut, vor allem wenn er arbeitet, denn da merkt er weder die Zeit noch kleine Wehwehchen, die einen im fortschreitendem Alter ereilen.

Erfahrungen machen ist entscheidend: Beim kürzlichen Abendessen mit Künstlern, die man gemein als ‘erfolgreich’ bezeichnen darf, hat mich interessiert, ob sie ein Rezept für ihren Erfolg rückblickend erkennen. Unabhängig voneinander haben beide das Ausland als einen Grund genannt. Ohne das Arbeiten in Chicago oder Berlin wäre die Anerkennung ihrer Arbeit heute nicht an dem Punkt. Der gewonnene Perspektivenwechsel im Ausland und die gesammelte Erfahrung haben ihren Arbeiten einen weiteren Blickwinkel hinzugefügt und eine Verstärkung gewisser Charakteristiken verursacht. Starke Charakter haben etwas magisch Anziehendes.

Was ich daraus lerne? Erfolg ist etwas Individuelles. Es gibt kein Patentrezept. Viel wichtiger scheint mir das Folgen des intuitiven, persönlichen Weg, ob dieser nun zur Schreinerlehre, ins für eine Weile ins Ausland führt: Unser ‘gutes Leben’ definieren wir selbst.

Auf den Punkt gebracht

Ein gutes Leben galt lange als erfüllt, wenn wir eine Anreihung an materiellen Dingen verfügbar hatten, wie ein Haus, Autos und Urlaube. Diese Güter sind heute allgemeine Zugänglich, man mag sagen: demokratisiert. Das ‘gute Leben’ definiert sich neu. In einer Überflussgesellschaft wird ein einfacher Lebensstil zum Luxus. Das Imperfekte wird zum Sehnsuchtsmoment und plötzlich löst der Wunsch man selbst zu sein den Mut aus, eigene Charakterzüge wieder zu frönen. In einer Zeit der unlimitierten Verfügbarkeit ist das eine Kraft, die Unterscheidung wieder ermöglicht, denn Charakterzüge können nicht imitiert werden und im richtigen Kontext gesetzt gewinnen sie zudem an Bedeutung.