In dieser Ausgabe meines Letter of Inspiration spreche ich über den momentanen Cocktail aus Müdigkeit und Furcht der uns begleitet. Welche Rolle die richtigen Impulse spielen, um wieder in Bewegung zu kommen und wie erfrischend Beweglichkeit im Denken sein kann. Viel Spaß beim Lesen.

Wer still steht, bewegt sich nicht.

Der Sommer zeigte sich nochmals in seiner ganzen Pracht. Das führte nicht nur zu Jubelschreien, sondern auch zu Klagen. Denn gerade wo die Sommerferien sich dem Ende neigten, begann auch das Treiben hier in Zürich wieder an Tempo und Intensität aufzunehmen. Die Wärme lähmte ein wenig und machte lethargisch. Das Denken fiel schwerer und der Ruf nach einer Abkühlung im Zürichsee wurde lauter. Auf der einen Seite sind wir müde ob der Hitze, und auf der anderen Seite sind wir ängstlich ob der Gerüchte einer zweiten Welle. Eine Kombination, die in einem Geschichtsbuch vermutlich rückblickend als “gefährlich” betitelt worden wäre. Glaubt man den Prognosen, steuern wir in der Geschäftswelt auf etwas zu, was man positiv als grosse Veränderung bezeichnen und im gängigen Sprachgebrauch als Krise betiteln würde. Nun, wie verändert man die Geschichte und schwimmt aus dem Sog, bestehend aus lähmender Müdigkeit und Furcht vor dem, was kommen mag?

"In einem wankenden Schiff fällt um, wer stillsteht und sich nicht bewegt."

- Ludwig Börne, Deutscher Schriftsteller

Was sich die letzten Jahrzehnte angekündigt hat, ist nicht zuletzt eine Folge aus der grenzenlosen Verfügbarkeit, die ähnlich, wie bei einem Kind, das man im Süßigkeitengeschäft stehen lässt, zu einen maßlosen Konsum geführt hat. In der Nachkriegszeit war das legitim: Man hat Zugang zu Etwas genossen, was aufgrund grausamer Umstände zuvor verwehrt gewesen war. Genuss und Verschwendung sind auch Attribute, die einen wirtschaftlichen Aufschwung ausmachen. Doch welche Wertschätzung und welches Anrecht haben wir heute noch auf diesen Luxus?

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This article was published in Spring 2020 in the Member Magazine of the St. Moritz Automobile Club (SMAC).

Wir sind umgeben von ‘Luxus’ aufgewachsen und er wurde durch die Digitalisierung und bahnbrechenden Erfindungen wie Smartphones unbegrenzt zugänglich. Es ist menschlich, alles was ständig verfügbar ist, irgendwann als selbstverständlich hinzunehmen. Monate in der Isolation lassen einen jedoch überlegen, ob der Zeitpunkt sich dem luxuriösen hinzugeben und zu genießen noch zeitgemäß ist. Nicht, weil es nicht mehr schön ist, sondern vielmehr, weil es uns nicht weiterbringt. Entwicklung entsteht nicht dadurch, in dem wir in einem Zustand verharren. Um eine Reaktion auszulösen braucht es Bewegung. Das lernt man bereits in einer der ersten Stunden im Physikunterricht. Und das ist auch was wir jetzt brauchen: Bewegung.

Was ist der Teilchenbeschleuniger unserer Zeit?

Ein nach wie vor nicht abschätzbares Risiko umgibt unsere nahe Zukunft. Gepaart mit Müdigkeit und Furcht ergibt das einen Cocktail, den auch James Bond verschmäht hätte. Die Kunstbewegung ZERO hatte nach dem zweiten Weltkrieg den Durchbruch der Leinwand als künstlerischen Ausdruck für den Neubeginn gefunden. Eine physische Tat, die neue Energie zur Kreation freigesetzt hat. Bewegung muss jedoch nicht immer physisch sein. Im Englischen beschreibt man Emotionen gerne mit “I am moved by something” - “Mich bewegt etwas”. Lässt sich der trist wirkende Moment aus Müdigkeit und Furcht durch das Ausleben der eigenen Emotionen brechen, und wie kann das aussehen?

Entdeckung der eigenen Leidenschaft.

Leidenschaft ist mehr als ein Berufsbild, es findet sich im Ausleben von eigenen Wertvorstellungen und moralischen Überzeugungen wieder. Hinzu kommt, dass man das, was man gerne macht, nicht als “Arbeit” empfindet. Der populäre Deutsche Philosoph, Markus Gabriel, schreibt in seinem aktuellen Buch über den “moralischen Fortschritt in dunklen Zeiten”, resultierend aus einer neuen Aufklärung: Eine neue Form von Kooperationen. Was gesellschaftlich schon in manchen Bereichen spürbar ist, wird laut Gabriel stärker wachsen. Wie kann das aussehen?

Vor ein paar Jahren hat sich der Begriff “Gig-Economy” geprägt, junge Talente, die sich ihren Stärken eindeutig bewusst waren und für ein kurzes Gastspiel in Start-ups oder Unternehmen eingetaucht sind, um für 6 -12 Monate ihr Wissen einzubringen. Was sich jetzt andeutet ist eine Welle an Freelancern, die, ähnlich wie die Gigs, sehr klar ob ihrem Können wissen. Wenn ich Markus Gabriel über neue Kooperationen sprechen höre, habe ich ein grösseres Bild im Kopf, was bestehende hierarchische Unternehmensstrukturen auflösen lässt und Projekt-basierend, Talent-orientiert und eigenverantwortlich Neues anstoßen wird. Das Große in kleine Teile heruntergebrochen lässt agiler bewegen und vor allem Misserfolge an der Quelle schneller korrigieren und die Auswirkungen beherrschen. Für Führungskräfte heißt das gleich mehreres: Wie befähige ich meine Mitarbeiter die eigenen Stärken zu erkennen? Wie kann ich Eigenverantwortung ermöglichen? Und wie kann ich mich selbst zurücknehmen, damit Neues entstehen kann? Wie kann ich mich über Misserfolge freuen und nicht urteilen? Wie gestalte ich ein Umfeld, das meinen Mitarbeiter innerhalb der Organisation Freiheit lässt?

"Es ist nicht die stärkste Spezie die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann."

- Charles Darwin, Englischer Naturforscher.

Wenn Stillstand keine Option ist, geht es darum Bewegung zu ermöglichen. Ein Weg die Schwingungen anzustoßen sind neue Impulse und andere Perspektiven, die die Augen für neue Wege und Ideen öffnen. Diese Impulse findet man bereits in den Geschichten anderer Persönlichkeiten, man muss nur aktiv zuhören. Einer solchen “Hintergrundgeschichte” durfte ich neulich lauschen und habe sie für Dich verschriftlicht. Ein Mann, der in seinen Weg vertraut und sagt, dass es ihm nie besser gegangen ist, als seit dem Moment, an dem er seiner Intuition gefolgt ist.

Zum Interview mit Yusuf Sert geht es hier

Was mich kürzlich inspiriert hat: Beweglichkeit im Denken.

Um die Sicherheit und auch um die berüchtigte zweite Welle zu vermeiden, haben für den Sommer viele Konzertveranstalter sich von einem “Festival Sommer” verabschiedet. Zu strikt und einengend sind in der Schweiz die Vorgaben des Bundesrat und BAG’s, um ein Erlebnis wie gewohnt zu bieten. Doch wer sagt, dass es ein Erlebnis wie gewohnt geben muss? In dieser besonderen Lage braucht es Beweglichkeit im Denken. Es geht nicht um den Erhalt, sondern darum, wie man sich in einem neuen Rahmen entfalten kann.

Ein Beispiel, dass mir selbst sehr nahe ist, ist das Festival da Jazz in St.Moritz, das schweren Herzens seine Hauptbühne, den legendären Dracula Club, in diesem Sommer aufgeben musste. Der Club lebt von dem Faktor des eng beisammen Seins. Eine neue Bühne musste also her und so gelang es, gemeinsam mit den einmaligen Grand Hotels vor Ort und deren prachtvollen Ballsälen, neue Spielstätten nach BAG Norm zu schaffen.

Es mag so wirken, wie das kleine Gallische Dorf bei Asterix und Obelix. Es geht jedoch nicht um ein Aufbäumen, sondern vielmehr um den Erhalt von Kulturgut und dabei neues Denken zuzulassen. Das braucht Mut sowie Offenheit, Gewohntes zu verlassen und ja, vermutlich auch ein paar Gallier, die einen ähnlichen Mindset haben. Was in St.Moritz gerade im Kleinen passiert ist, kann ein Vorbild für viele Unternehmer sein, die sich in der Situation “das Alte geht nicht mehr” wiederfinden. Gute Nachricht: Es geht doch, nur anders.

In eigener Sache...

Wenn Du diese Art der Gedanken genießt, empfehle ich dir am Montag, 31. August Die Welt zu kaufen. Es wird ein ausführliches Interview von mir zum Thema 'Zukunft der Gesellschaft und Arbeitswelt' erscheinen.

Viel Vergnügen mit dieser Ausgabe des Letter of Inspiration.