Letter of Inspiration #17 - Woran wir glauben
In diesem Letter of Inspiration frage ich mich, nach welchen Werten wir leben und arbeiten und warum die Britische Monarchie hierfür ein interessantes Beispiel ist.
Woran wir glauben
An was glauben wir heute? Was gibt uns einen Rahmen, was bietet Orientierung und was Halt? Die Art und Weise, wie wir aufwachsen, die Prägung unserer Eltern oder Personen, die uns in den ersten prägenden Jahren eng begleitet haben, haben einen tiefen, wenngleich auch unbewusst starken Einfluss auf unser späteres Leben. Unbewusst deshalb, weil unsere ersten Erinnerungen meist im Alter von 4 Jahren beginnen. Die Jahre zuvor sind prägend, jedoch unbewusst. Geht man zurück in der Zeit, war die Erziehung in diesen Jahren im westlichen Europa eine christliche. Christliche Werte und Bräuche wurden uns vermittelt und weitergegeben. Das hatte einen Vorteil, wir hatten alle ein ähnliches Werte-System nachdem wir gehandelt haben. Wir wussten, was ist Recht und was Unrecht. Das heißt nicht, dass man sich an das Recht gehalten hat. Jedoch war einem klar, wann eine Tat Unrecht war und dass dies Konsequenzen haben wird.
Die Werte-Systeme sind umfangreicher geworden, die Zahl der Kirchenaustritte ist höher als die Zahl der Eintritte. Woran glauben die Leute heute und gibt es Werte-Systeme, die das Glaubenssystem Christentum abgelöst haben?
Erfolgreiche Unternehmen, die eine starke Corporate Identity (Unternehmensidentität) haben, repräsentieren in dichter Form ausgedrückt ihre Werte, die sie ausmachen und beschreiben. Sichtbar wird das unter anderem auf Berufsplattformen, wie LinkedIn. Hier kann man „Ex-Google“ oder „Ex-McKinsey“ in der Berufsbeschreibung lesen. Die Zugehörigkeit und somit Verbundenheit bleibt bis über den Austritt hinaus bestehen. Ich glaube, dass Unternehmen heute einen stärkeren Einfluss auf das Werte-System vor allem von jungen Menschen haben, als man sie aus der Zeit unserer Eltern vielleicht kennen mag. Die Erfahrungen eines 20-Jährigen im Jahr 2024 unterscheiden sich erheblich von denen des Jahres 1984. Eliteuniversitäten wie Harvard, Oxford oder Yale sind dafür bekannt, neben Wissen auch eine Ideologie zu vermitteln. Dies ist jedoch eine entscheidende Zeit, in der der Einzelne nach einem Gefühl der Zugehörigkeit und nach Leitwerten im Leben und in der Geschäftswelt sucht, um seinen Weg zu finden. Jeder Schritt hinterlässt eine Spur, und nach einigen Jahren im (Berufs-)Leben kann dies zu einer Orientierungs- und Identitätskrise führen. Wer bin ich eigentlich? Was kann ich wirklich gut? Wo gehöre ich hin?
Die Identitätsfrage
Die Frage nach „Wer bin ich?“ wird nach jedem Jobwechsel laut. Und die Suche nach einer Antwort geht von Yoga und Achtsamkeitstraining über Coachings und Seminare zur Selbstfindung, bis hin zu Sabbaticals und längeren Auszeiten meistens verbunden mit Reisen, um aus dem Alltag zu entkommen und somit Klarheit im Fremden und Unbekannten zu finden. Es ist nicht leicht, diese Frage zu beantworten, die größten Denker unserer Zeit haben keine klare Antwort zu „Wer bin ich?“gefunden. Descartes sagte „Ich denke, also bin Ich. Wittgenstein sah das „Ich“ nicht existieren, nur als ein Missverständnis in der Sprache/dem Ausdruck. „Ich bin, der ich bin.“ die göttliche Antwort in der Bibel (2. Moses 3, 14-15) auf Moses Frage, was er den Israelis sagen soll, wer ihn sendet. Klar wird, dass die Antwort von einem selbst kommt, nicht von einem Wertesystem, an dem man zeitweise partizipiert hat. Vielleicht ist die Frage daher nicht „Wer bin ich?“, sondern „Woran glaube ich?“.
Was mich kürzlich inspiriert hat: Codes und Rituale
Der hochedle Orden vom Hosenbande (The Order of the Garter) ist einer der exklusivsten noch heute verliehenen Orden in Britain und einer der angesehensten Europas. Es gibt in der britischen Monarchie die Struktur der Orden und Ehrenzeichen. Der signifikante Unterschied zwischen beiden ist, dass man Teil einer Ordensgemeinschaft wird. Bei der Vergabe eines Ehrenzeichens geht es nicht um die Gemeinschaft, sondern „nur“ um die Anerkennung selbst.
Was macht den Hosenbandorden aus? Gegründet 1348, um die wichtigsten Ritter während des hundertjährigen Kriegs zwischen Frankreich und England noch enger an den König zu binden. Der Orden hat nur 24 Mitglieder und wird nicht wie bei anderen Orden vererbt, sondern muss verdient werden. Er gilt als Prestige Orden und außer dem Alt-Kaiser Akihito und Kaiser Naruhito von Japan sind alle Träger christlich. Ein interessantes Detail, wenn man über die Werte-Diskussion vom obigen Text wieder nachdenken mag.
Jeder kennt die Gedanken der Alumni-Treffen, Think-Tanks usw. Warum soll man dorthin gehen, was macht eine starke Gemeinschaft aus? Klare Codes, wiederkehrende Rituale, die Dauer des Bestehens, die Bedeutung der Vereinigung, der Daseinsgrund, die offenkundige Bekenntnis über ein Symbole oder Wahrzeichen, wie hier u.a. die Farbe des Bandes in blau, ein Bruststern, Mantel und Hut als Ordenstracht sowie limitierte Plätze, in diesem Fall 24 und eine Monarchen-Familie, die den Orden seit 667 Jahren pflegt, bewahrt und leitet.
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Letter of Inspiration #16 - Die Macht des Geldes
Dieser Letter of Inspiration befasst sich mit starken Themen. Es geht um Macht, Geld und Betrug. Was wie der Anfang eines James Bond Films klingen mag, bringt im Kern womöglich eine mehr poetisch und philosophische Sichtweise auf diese klassischen Bilder. Viel Freude beim Lesen.
Die Macht des Geldes
Haben Sie schon einmal versucht, einen Tag lang kein Geld auszugeben? Kein Coffee-To-Go auf dem Weg ins Büro, keine Tram oder Uber zum Termin, auch kann das Auto nicht im Parkhaus abgestellt werden. Der Lunchtermin wird zum Spaziergang, gegessen werden mitgebrachte Sandwiches, zum spontanen Abendessen mit Freunden im neuen Trend-Restaurant müssen Sie leider nein sagen. Auch die Tennisstunde am Nachmittag fällt aus. Wie fühlt sich das an? Ich habe diesen Selbstversuch neulich gemacht. Der erste Moment ist beklemmend, einengend und zudem fühlt man sich sozial ausgeschlossen. Im zweiten Moment hat das ganze Experiment jedoch auch etwas befreiendes, nicht alles möglich machen zu müssen (oder zu können). Nein-sagen ohne schlechtes Gewissen, denn man kann schlichtweg kein Geld ausgeben und ist somit optionlos. Und ganz entscheidend: mehr Zeit. Eine Frage bleibt: Hat Geld Macht über uns oder unser Wunsch der Zugehörigkeit?
Andersherum gedacht: Wenn Geld keine Rolle spielt (da vorhanden), macht es Dinge gar komplizierter? Denn es eröffnet plötzlich andere Fragen. Nur ein paar Beispiele…Sollte ich zu diesem Essen gehen, schließlich kommt ein Botschafter, oder der Boss, oder gar der Bundeskanzler? Es wäre gut, gesehen zu werden oder in Kontakt zu bleiben, nicht? Oder Sie brauchen ein neues Auto und der Fächer an Optionen geht auf: Sportlich oder elegant, SUV oder Coupé? Protzig oder dezent? Benziner oder Elektro? Kommt Geld vielleicht auch mit einer gewissen Komplexität und der Verantwortung, sein Leben auch zu teilen? Egal, ob das nun mit der Öffentlichkeit, Freunden oder Geschäftspartnern ist, man mag großzügig sein. Das beinhaltet jedoch nicht nur das eigene Geld, sondern eben auch die eigene Zeit. Finanzielle Engagements beinhalten auch Sichtbarkeit. Vergleicht man das zum 1-Tages-Experiment „Zero-spending“, zeigt sich das Gegenteil, die Komplexität ist raus und die Mehrzeit für einen selbst gesichert. Dieses Wissen ist natürlich nützlich, vor allem wenn man kurz davor ist, ein Projekt abzuschließen oder sein Buch schreiben zu wollen. Zero-spending hilft dem eigenen Fokus und vereinfacht das Leben ungemein.
Gehen wir mal aus dem Extrem, also weg von zero. Wo liegt die Balance, wenn alles möglich ist? Wie viel Zugehörigkeit oder Sichtbarkeit braucht es und wie viel Einsamkeit ist fruchtbar? Mit der Wahl meiner Treffen entscheide ich, was oder wer mir wichtig ist. Mit der Wahl meiner Orte entscheide ich, in welchem Kontext ich gesehen werden will. Was ich konsumiere, intellektuell oder im wahrsten Sinne, zeigt, wer ich bin. Für mich beantwortet das die Frage, was Macht über mich hat: Je mehr ich selbst bin, desto mehr liegt die Macht in meinen Händen.
Was mich kürzlich inspiriert hat: Betrug.
Vermutlich nicht das Thema, über das man normalerweise liest, noch schreibt. Und dennoch werden viele Führungskräfte mit Fällen, die zu Misstrauen oder dem Verlust von Vertrauen führen, konfrontiert. Was tun in einem Moment des Betrugs? Kann man diesen Personen überhaupt wieder vertrauen und mit ihnen weiterhin zusammenarbeiten?
Der kontrovers diskutierte kanadische Psychologe Jordan Peterson hat in einem Beitrag zu genau dieser Frage mit Dante Alighieris Inferno, mit dem ersten Teil seines legendären Gedichts der Göttlichen Komödie geantwortet. Das Bild, das Dante über die Hölle zeichnet, ist das wohl bekannteste und am meisten genutzte. Am tiefsten Punkt, am Grund der Hölle, sitzt der Teufel. Nun aufgepasst, nur einen Rang über ihm hat Dante die Betrüger gesetzt! Fast eins mit dem Teufel. Die Schwierigkeiten der Frage, ob man Betrug verzeihen kann, ergibt sich von selbst und verbindet sich vielleicht mit der Frage, ob man bereit ist, das Risiko einzugehen, sich die Finger noch einmal zu verbrennen. Wir neigen dazu, das Gute im Menschen zu sehen. Doch ein Betrüger hingegen braucht Zeit, das Gute in sich selbst wieder zu sehen. Es ist ein langer Weg, sich vom fast tiefsten Punkt der Hölle, wieder nach oben zu arbeiten. Sicher auch kein leichter.
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Letter of Inspiration #15 - Glücklich bis ans Lebensende
In diesem Letter of Inspiration finden Sie die Auseinandersetzung zur Fragestellung, was ein CEO oder HR Manager von Märchen und der Buddhist Ökonomie lernen kann.
Glücklich bis ans Lebensende
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum ein Happy End in Märchen immer mit der Hochzeit der Hauptdarsteller endet? Meistens ein Paar, welches sich durch große Herausforderungen gekämpft hat, um am Ende zusammen zu sein. Die Schöne und das Biest, eine junge Dame wird verschleppt, um mit einem Biest zu leben, eine Kreatur, die verhext wurde und ihre menschliche Gestalt verloren hat. Natürlich kann nur der Zauber der wahren Liebe diesen Bann brechen. Was danach folgt, kann man sich denken: ein überglückliches Paar, das heiratet und glücklich bis ans Ende ihrer Tage lebt.
Dies ist ein Beispiel von vielen. Doch was ist mit dem Leben nach dem großen, glücklichen Tag? Das Einzige, was uns die Märchenautoren über das „Danach“ verraten, ist, dass sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage lebten. Cinderella, die Schöne und das Biest, Aladin, all diese Geschichten stoppen abrupt nach der Hochzeit. Am Punkt der höchsten Verliebtheitsphase. Mehr geht nicht mehr, das verrät die Dramaturgie ja eben, mit der Aussage, „lebten glücklich“, nicht von Höhepunkt zu Höhepunkt, sondern stetig linear.
Wie sieht das in der Realität aus? Vieles von der Verliebtheitsphase finden wir auch in Kunden- und Geschäftsbeziehungen wieder. Zu Beginn ist es aufregend, neu, ungewiss, interessant, einmal jedoch „für einander entschieden“, wird es ernst. Es gibt kaum ein Zurück nach dem Ja (Unterschrift des Arbeitsvertrages, neue Geschäftsbeziehung, … ), und die Erwartungen sind groß. Wie gelingt es, diese Erwartungen aus der Verliebtheitsphase im Geschäftsalltag zu erfüllen? Lässt sich der Charme des Unbekannten auch in diese zweite Phase überführen? Aus Märchen finden wir hierzu wenig Antwort. Schauen wir also in die reale Welt. Bevor es zur Hochzeit kommt, muss uns klar sein, dass man erstmal den richtigen Partner finden muss. Schaut man in Statistiken lässt sich sehen, dass 60-80 % der M&A Deals (Mergers & Acquisitions) scheitern. Einst eine Verbindung eingegangen, liegt die Fluktuationsrate in Deutschland im Handel, Immobilien, Erziehung und Bildung momentan bei 30-40 %. Knapp jede zweite Bindung löst sich demnach wieder. Gründe dafür?
Die Wahrscheinlichkeit den richtigen (Geschäfts-)Partner, Kunden oder Mitarbeiter zu finden und zu behalten ist demnach eine grosse Herausforderung, vielleicht so groß, wie es in Märchen zu Beginn dargestellt wird: Das Biest will die Schöne von sich überzeugen. Was macht den Erfolg der positiven Beispiele aus? Den Zauber der Verführung auch im Bekannten zu finden. Darwins zweite Evolutionstheorie: nicht der Anpasser (das wäre die Erste), sondern der Ästhet gewinnt. Die evolutionäre Ästhetik bezieht sich auf Theorien, die davon ausgehen, dass sich die grundlegenden ästhetischen Vorlieben des Homo Sapiens entwickelt haben, um das Überleben und den Fortpflanzungserfolg zu verbessern. Darwin spielt auf unsere Sehnsucht nach Variation an. Hier liegt für mich ein möglicher Schlüssel für ein Happy-Ever-After mit Höhepunkten und ohne Linearität. Die Verführung liegt in der Abwechslung, die auch in Bekannten geboten werden kann. Ob wir nun von Mitarbeitern, Kunden oder Geschäftspartner sprechen, Gleichheit und Wiederholung ist ein Killer für all diese Beziehungen. Lassen Sie uns kreativ werden und überlegen, was aus dem Einheitsbrei herausragen kann. Das Schlüsselwort ist Individualität. Arbeitsmodelle angepasst an den jeweiligen Mitarbeiter und seine Ausgangslage. Projekte, die maßgeschneidert auf den Kunden sind und keine Copy-Paste-Funktion haben. Genuine Gedanken, wie ein Künstler sie hat. Ich bin mir sicher, dass auch Ihre Frau oder Ihr Mann sich hin und wieder über etwas Abwechslung zum klassischen Blumenstrauß zum Valentinstag freut.
Was mich kürzlich inspiriert hat: Buddhist Ökonomie.
ch bin zufällig über den Begriff der Buddhist Ökonomie (nach dem deutschen Ökonom K.F. Schumacher, Buch: Small is Beautiful) gestolpert, die den Schwerpunkt auf dem Wohlbefinden aller Mitglieder und der Umwelt legt, anstatt auf dem Streben nach unendlichem Wachstum und Gewinn.
Die buddhistische Ökonomie sieht die Funktion der Arbeit darin, die eigenen Fähigkeiten zu aktivieren und zu entwickeln, das Ego und das Unternehmen loszulassen und Güter und Dienstleistungen für eine bessere (glücklichere) Existenz zu schaffen. Diese ökonomische Form misst einen hohen Lebensstandard nicht an mehr Konsum, sondern am optimalen Konsum bei geringstem Aufwand, so dass unsere Anstrengungen auf andere kreative Unternehmungen gerichtet werden können.
Klingt für mich stark nach Ansätzen, die die Generationen nach mir anspricht und worüber sich somit vermutlich jede HR Abteilung und jedes Management auseinandersetzt. Was kann das für Unternehmen und Unternehmer beispielsweise bedeuten?
- Ein Lohnsystem implementieren, das auf den Fähigkeiten und dem Beitrag jedes Mitarbeiters basiert
- Eine Unternehmenskultur fördern, die Mitarbeiter dazu ermutigt, ihre Arbeit als einen Beitrag zum Gemeinwohl zu betrachten, anstatt als bloße Einkommensquelle
- Eine offene und unterstützende Kommunikation pflegen, in der jeder Mitarbeiter sich einbringen kann und in der Entscheidungen auf dem Konsens der Beteiligten basieren
- Einen Teil der Gewinne in soziale oder kulturelle Projekte und wohltätige Zwecke investieren, um zur Verbesserung oder Bildung der Gemeinschaft beizutragen
Auch in der Buddhist Ökonomie finden sich Ähnlichkeiten zu meinem Märchen Beispiel zuvor. Es geht darum, sich aktiv einzubringen, nicht nur das Selbst in den Mittelpunkt zu stellen, sondern das Gemeinwohl. Was braucht “es” (das Ganze), um weitermachen zu können? Wo kann ich einen Beitrag leisten, der über die einfache Bedürfnisbefriedigung hinausgeht? Nachdem gerade noch Weihnachten war, mag der ein oder andere sich an die Weihnachtsgeschichte des kleinen Lord Fauntleroy erinnern. Dieser kleine Bub stellt bedingungslos das Wohl der Gemeinschaft in den Mittelpunkt, und steckt damit seinen alten und griesgrämigen Großvater an.
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Letter of Inspiration #14 - Vertrauen
Nach einer kleinen Pause, freue ich mich umso mehr Sie heute auf die Reise zum Thema Vertrauen mitzunehmen. Darüber hinaus gibt es meine kürzlich entwickelte Definition für Luxus, die ich in Vorbereitung auf eine Keynote in Hannover entwickelt habe. Viel Spaß beim Eintauchen.
Ein hohes Gut: Vertrauen.
Ein normaler Montagmorgen, ich gehe durch meine E-Mails und stolpere über die automatisch generierten LinkedIn Jobempfehlungen, die plötzlich mein Interesse geweckt haben. Nicht weil ich nach einem Job suche, sondern vielmehr, weil die ausgeschriebenen Stellen mich an Black Mirror erinnern. Eine Netflix Serie, die Zukunftsszenarien teils sehr dramatisch darstellt. „Culture and Well-being Manager“, „Community and Relation Specialist“ und „Head of Customer Engagement“. Für mich völlig neue Jobbezeichnungen, deren Bedeutung und Funktion ich neugierig nachgelesen habe. Es klingt nach einem weiteren Versuch den Menschen, also den Mitarbeiter und Kunden, in den Fokus zu rücken. Spannend hierbei ist, dass die Ausschreibungen nicht von den bekannten großen Tech-Unternehmen, wie Google oder Apple kamen. Von diesen Playern ist man es gewohnt, dass der Mitarbeiter eine zentrale Rolle spielt. Nein, ich spreche hier von alteingesessenen Konzernen, internationalen Beratungen und KMUs (Mittelstandsunternehmen). Was ist nur passiert? Steigen die Fluktuationsquoten unaufhaltbar? Wurde erkannt, wie essentiell der Mitarbeiter für den Erfolg einer Firma ist oder wie schwierig es ist Neue zu finden?
Der aktuelle Stellenmarkt ist eine Reaktion auf das, was in Unternehmen vor allem in der Pandemie deutlich wurde. Beziehungen brauchen Fokus und kontinuierliche Pflege. Würde Ihr Mann/Ihre Frau einmal im Jahr einen Newsletter mit dem neusten Update bekommen, würde Ihre Beziehung heute vermutlich woanders stehen. Aufmerksamkeit, persönliche Worte - etwas Echtes, danach suchen Menschen. Ergo auch Mitarbeiter und Kunden. Wie wir aus Partnerschaften lernen dürfen, ist der Aufbau und die Pflege einer Beziehung ein andauernder Prozess und nicht durch Einzeltaten erledigt.
Zwei Jahre Pandemie hinterlassen Spuren. Wir alle haben in dieser Zeit nicht nur gehofft, dass das Normal zurückkommt, sondern haben “unser Normal” auch in Frage gestellt. Ist die (Kunden-/Mitarbeiter-)Beziehung nicht stark genug gewesen, zerbrach sie an genau dieser Fragestellung. Die Aufgabe, die diese neuen Manager nun haben, ist eine fast utopische Disziplin, denn sie kämpfen gegen fundamentale Zweifel an bestehenden Konzepten. Culture Manager und Customer Engagement Manager werden gebeten, dort Vertrauen aufzubauen, wo es verloren gegangen ist oder nie da war. Vertrauen wieder zubekommen oder den Grundstein dafür zu legen - und auch das wissen wir aus privaten Erfahrungen - ist ein Prozess der Zeit braucht.
Die Chefsache
Loyalität, Selbstverantwortung, aktives Mitdenken und somit Mehrwert für das Unternehmen stiften, das bildet die Basis für das Vertrauen eines Unternehmers. Ein Culture Manager alleine kann das nicht schaffen, das muss ganzheitlicher betrachtet werden. Der Rahmen dazu kann nur vom Unternehmer oder CEO selbst kommen. Die gutgemeinten Neueinstellungen brauchen Klarheit über die Haltung des Unternehmers, damit sie “funktionieren” können. Eine klare Haltung beschreibt den unternehmerischen Geist in seiner Tiefe. Sie ist das unbewusste Gefühl, das einen Unternehmer leitet. Und genau dieses gilt es in Worte zu fassen.
Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf entstand vor vier Jahren die Idee für Zero Senses. Wir arbeiten mit Unternehmern und Führungspersönlichkeiten an der Verbalisierung ihrer Haltung und begleiten sie dabei, Wege und Strukturen zu bilden, dieser Haltung Ausdruck zu verleihen. Wie lässt sich intuitives Unternehmertum verwortlichen und somit mit Partnern, Kunden und Mitarbeitern teilen? Das wird die Grundvoraussetzung, für die besagten Neueinstellungen sein.
Es liegt auf der Hand, dass die unternehmerische Haltung nicht über Nacht identifiziert und intern verinnerlicht werden kann. Kurzfristige Lösungen funktionieren nicht, hier geht es um Tiefe. Auch Stil entwickelt man nicht über Nacht. Eine stilvolle Wohnung sieht nicht aus, wie in einem Möbelkatalog. Die Möbelstücke brauchen Geschichte und nicht nur ein Kaufdatum. Stil entwickelt man über Zeit, ebenso wie eine klare Haltung.
Was mich kürzlich inspiriert hat? Übertreibung.
Gerne wird von materiellem und immateriellem Luxus gesprochen. Ersterer wird als lauter Status-Luxus verstanden, bei dem sofort Bilder von schnellen Autos, Luxusyachten und weiteren Konsumgütern außerhalb des normalen Lebensstandard aufgehen. Dieser Luxus ist unmissverständlich mit Übertreibung verbunden.
Der leise - immaterielle - Luxus hingegen wird mit Ruhe, Selbstbestimmtheit und Reduktion assoziiert. Man könnte glauben, das genaue Gegenteil zu meinen. Jedoch kann diese Form des Luxuses sich im Extremfall auch in der Übertreibung wiederfinden. Beispielsweise, wenn ein Multimillionär mit einem Minimalbesitz von nur 64 Dingen „prahlt“ oder die Essenz eines üppig gedeckten Dessertbuffet sich plötzlich in Schäumchen und Essenzen in dem Nachspeiseschälchen der Sternegastronomie findet. Bei näherer Betrachtung findet sich auch im immateriellen Luxus die Übertreibung wieder, und zwar in der des unbedingten Minimalismus. Für mich ergibt sich hieraus eine neue Definition: Luxus bedeutet Übertreibung (in welcher Ausprägung auch immer). Und genau das war der Auslöser für meine Überlegungen zu einer neuen Form von Luxus. Fortsetzung folgt.
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Letter of Inspiration #13 - Verlust des eigenen Anspruchs
Feiertage im Allgemeinen, und vor allem die zum Jahresende, laden zu einem Rückblick ein. Neben Gedanken, was die Highlights und die weniger guten Momente waren, habe ich mich zum Ausklang gefragt, welche Folgen das neue Normal auf unsere Gewohnheiten hatte.
Verlust des eigenen Anspruchs
Unser gewohnter Alltag hat sich dramatisch verändert. Die Empfehlung im Home Office zu bleiben ist wieder aktiv. Zudem gilt für Treffen und alle Arten von Events ein ständiges Einlassen auf den Moment. Denn der lang geplante Anlass oder das Meeting muss möglicherweise doch in der letzten Sekunden abgesagt oder angepasst werden. Unsere Improvisationskraft ist mehr denn je gefragt, und nur wer permanent in Bewegung bleibt schafft es, nicht in der Vergangenheit der schönen, alten und Pandemie-freien Welt verloren zu gehen. All dieser Aufwand scheint uns die Energie für unseren Anspruch und die Freundlichkeit zu nehmen. E-Mails werden kürzer und die Antwortdauer immer länger. Die Anrede kann schon einmal verloren gehen, ebenso wie die Grußformel in einer Nachricht. Plötzlich sieht man die einstigen Anzugträger, die über den Paradeplatz in Zürich gelaufen sind, in Jeans und Rollkragenpullover. Die Restaurants, um dessen Plätze man sich für einen Mittagstisch in der Zürcher Altstadt sonst gedrängt hat, haben selbstverständlich, auch am selben Tag, noch etwas frei. Und den Anspruch an den eigenen Dresscode hat wohl jeder für sich selbst neu definiert. Das Revival der Jogginghose lässt grüssen.
Die Baubranche genießt eine Übernachfrage. Wenn man die Tage zuhause online und in Zoom Meetings verbringt, will man sich in der eigenen Blase zumindest wohl fühlen. Unser Einzug in die digitale Welt lässt uns unseren Anspruch aus der (alten) Realität vergessen. Weihnachtskarten, die früher noch per Hand unterschrieben wurden, kamen in diesem Jahr per WhatsApp, wenn überhaupt. Es wirkt, als würden sich viele fragen: Wofür das eigentlich noch? Hat die Pandemie dazu beigetragen ein neues Zeitalter einzuleiten, in welchem neue Regeln des Stils und Anstands definiert sind? Wurden wir freundlicher zu uns selbst und haben uns vergeben, dass wir nicht mehr jeden Morgen der Yoga- oder Workout-App folgen? Haben wir gelernt, dass es doch schön ist, Zeit mit den Menschen zu verbringen, die uns nahe sind, anstelle die Welt für andere oder ein übergeordnetes Ziel zu bereisen? Und hat das dazu geführt, dass wir beginnen Erfolg neu zu definieren? Stärker, höher, weiter scheint uns gleichgültiger zu sein - und auch online weniger greifbar. Doch was ist es dann, das uns in dieser neuen Phase wichtig ist?
Der Mensch sucht immer nachdem was er nicht haben kann. Die auferzwungene Spontanität führt womöglich dazu, dass wir uns Beständigkeit wünschen. Das kann in Form eines Wohnortes sein, gewohnter Produkte oder Beständigkeit im persönlichen Umfeld (Arbeit, Familie, Partner, Freunde).
Wie schafft man es aber als Unternehmer seinen Mitarbeitern und Kunden diese Beständigkeit zu geben, sollte die Frage sein, mit der wir uns Anfang 2022 befassen.
Mehr Inspiration dazu, gibt es hier.
Was mich kürzlich (nicht) inspiriert hat? Langeweile.
Konnte man früher noch Geschichten von den letzten Reisen oder Geschäftsterminen erzählen, tauscht man sich heute über den Bäcker, der das beste Sauerteigbrot backt, oder die neue Netflix Serie aus. Gespräche werden langweilig, es passiert nichts mehr. Unser Leben verliert ein Stück an Bedeutung, denn wir sind armer an Erlebnissen geworden.
„(…) In einer Gesellschaft, die daran gewöhnt ist, derartige Vergleiche zu ziehen, wird der allen sichtbare Erfolge zur Grundlage des Ansehens und zum Selbstzweck. Man demonstriert die eigene Leistung, um Prestige zu gewinnen und der Missachtung zu entgehen. (…)“ von Thorstein Veblen aus Theorie der feinen Leute.
Wir sind es nach zwei Jahren Pandemie nicht mehr gewohnt uns gesellschaftlich zu bewegen und Gespräche zu führen, was in der Definition nach Thorstein Veblen, ein Wirtschaftswissenschaftler aus dem 19. Jahrhundert, der als einer der Ersten über das Konsumverhalten nachdachte, die Schlussfolgerung zulässt, dass wir unseren gesellschaftlichen Status verlieren. Einziger Trost: Wenn das jedem so geht, definieren sich womöglich unsere Statussymbole bald neu.
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Letter of Inspiration #12 - Klarheit
In diesem Letter of Inspiration beschreibe ich am Beispiel von Milan Kunderas Werk „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ die Schwierigkeit, klare Entscheidungen zu treffen. Zudem inspirierte mich der Blick auf den Weinanbau. Denn wenn es um das Thema Geduld geht, ist diese Branche durch natürlich auferlegte Grenzen ein Rolemodel.
In dem berühmten Werk von Milan Kundera „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ beschreibt eine der Hauptcharaktere, Tereza, eine von Selbstzweifeln geplagte Frau, in einem Traum ihre Angst nicht zu genügen. Sie träumt davon, dass ihr Liebster, der Lebens-genießende Philosoph Tomas, sie auf den Petrin-Hügel in Prag sendet, wo ein Mann mit einem Gewehr drei Selbstmördern hilft sich umzubringen. Als sich der bewaffnete Herr ihr zuwendet, schreit sie auf „Es war nicht meine Wahl“ und ihr wird gewährt zu gehen. Erst in dem Moment, in dem es sprichwörtlich um Leben und Tod geht, übernimmt Tereza Verantwortung für sich selbst und trifft eine Entscheidung. Warum fällt es einem so schwer klare Entscheidungen zu treffen?
Es beginnt mit der Summe an Möglichkeiten, die uns geboten werden. Der routinierte Gang zum Café um die Ecke, der zum Verhörspiel am Morgen wird: Flat White? Klein oder gross? Welche Milch? Bar oder mit Karte? Und es zieht sich weiter in die darauffolgenden Sitzungen, wo es um zukünftige Investitionsentscheidungen, Einstellungen oder die Unternehmensstrategie geht. Es mangelt nicht an Optionen oder Meinungen, vielmehr gibt es zu viele. Die Kunst liegt darin herauszufinden, wie man eigentlich seinen Kaffee mag, kurz: Was man eigentlich will.
Das Ziel dabei ist nicht Perfektion. Wir sind keine Maschinen, noch lässt sich eine Entscheidung mit der Perfektionsgabe, wie die des Meisterfälschers Beltracchi treffen. Klarheit darüber, was man nicht mag, ist ein guter erster Schritt. „Es war nicht meine Wahl.“ Sprich: „Ich möchte nicht sterben“, schrie Tereza. Nun war das ein Traum, aber dennoch einmal weiter gedacht, kann man sich vorstellen, dass dieser Entscheid auf dem Petrin-Hügel weitere Folgen nach sich gezogen hat. Denn der Moment der Klarheit hat eine unheimlich befreiende Energie. Meistens ist diese Klarheit schon lange in uns vorhanden, gleichwohl neigt man zu zögern. Dies hat vielerlei Gründe: Man ist für die einhergehenden Konsequenzen noch nicht bereit, man hat Angst vor der Veränderung und dem Loslassen des Gewohnten, oder es fehlen (noch) die Worte zum Ausdruck. Eines darf man sich bewusst machen: Das Leben ist nicht statisch, sondern im Fluss. Ob man bewusst entscheidet oder die Strategie des Abwarten wählt, es fließt weiter. Die meiste Sicherheit findet man im Vertrauen in die kontinuierliche Bewegung.
Blicke ich zurück in die Vergangenheit, hat keine meiner Entscheidung je etwas Schlechtes gebracht. Veränderung ja, aber das passiert eben, wenn man sich bewegt. Der Kontext verändert sich. Ein Werkzeug, welches Halt und Klarheit in der kontinuierlichen Bewegung gibt, ist eine geschulte Intuition. Wie sich diese schulen lässt, darf ich am 27. Oktober bei einem Vortrag am Senior Management Programm der Hochschule St. Gallen teilen. Details dazu gibt es im Anschluss auf meiner Website.
Im Magazin „Zukunftsbeweger“ der Globalance Bank schreibe ich in meiner aktuellen Kolumne über die Stabilität in der Bewegung. Hier geht es zum Beitrag.
Was mich kürzlich inspiriert hat? Geduld.
Soeben wurden die letzten Weinberge geerntet und die Hauptarbeit im Weinkeller ist abgeschlossen. Nun heißt es warten. Denn das Arbeiten mit der Natur lässt keine kurzfristige Anpassung zu, noch lässt sich die Ernte wiederholen oder Fehler ausbessern. Es herrscht eine Abhängigkeit und damit einhergehend ein Hoffen, dass die Natur es gut mit den Winzern meint. Denn der nächstmögliche Versuch ist erst wieder in einem Jahr. Die Natur gibt die Geschwindigkeit vor und wir haben zu folgen.
Was mir dieses Beispiel zeigt, ist nicht nur die Abhängigkeit von externen Einflussfaktoren (denn die gibt es überall), es zeigt mir auch das Level an Klarheit, das es braucht, um dieses kostbare Produkt zu produzieren. Möchte ich beispielsweise einen eleganten, schlanken Wein mit wenig Alkohol, der im Geschmack eher dunkle Beeren oder gar Tabak hat oder etwas ganz anderes? Welche Rahmen (Anbau, Ausbau und Produktion) braucht es, damit mir das gelingt? Und selbst wenn ich all das visualisieren und ausdrücken kann, muss ich dennoch abwarten, um zu sehen, ob meine Strategie aufgegangen ist. Denn das fertige Ergebnis zeigt sich erst in der Flasche. Geduld ist eine Eigenschaft, die uns in der Geschäftswelt oftmals abhanden gekommen ist.
Ich wurde geschäftlich so konditioniert, dass Gedanken sofort umgesetzt werden sollen. „Fail fast“ ist die Mentalität, die uns aus dem Silicon Valley vorgegeben wird. Ist das so? Brauchen gute Ideen, so wie gute Tropfen, nicht Zeit zu reifen, um dann ihr volles Potential zu entfalten? Im Wein ist das mit Sicherheit so, und ich glaube auch im Geschäft.
Der Sommer ist nun spürbar vorbei und die dunklen und kühlen Monate haben begonnen. Zeit zur Reflektion und Auseinandersetzung. Möge dieser Letter of Inspiration dazu anregen und neue Gedanken anstoßen.
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Kolumne: #3 Umdenken
Stabilität in der Bewegung
Umdenken - Stabilität in der Bewegung
Routinen helfen, Stabilität ins Leben zu bringen. Die morgendliche Tasse Kaffee, bevor wir in den Tag starten, der Weg in die Arbeit sowie das Treffen zum Joggen alle zwei Tage oder das obligatorische Sonntagsessen mit der Familie. All das gibt Halt und Struktur in eine Woche, die sonst ganz willkürlich verlaufen würde.
Doch was passiert, wenn diese Routinen plötzlich wegbrechen? Verlieren wir unseren Halt und driften in ein Meer der Orientierungslosigkeit? Es gibt viele Auslöser für ein solches Wegbrechen: Umzüge, berufliche Veränderungen, eine Pandemie ist jedoch sicher ein gravierender, noch dazu weil sie jeden gleichzeitig erwischt hat. Eine spannende Frage für die momentane Situation wäre daher: Wie entwickle ich Stabilität in der Bewegung?
„In einem wankenden Schiff fällt um, wer Stillsteht und sich nicht bewegt.“ Schrieb der deutsche Schriftsteller Ludwig Börne einmal. Also bleiben wir besser in Bewegung und schreiten mutig voran? Doch wohin? Gerade aus, links oder rechts? Die Frage wird keiner für uns beantworten können. Es liegt einzig an uns und der Frage wohin wir wollen.
Nun wurden wir gezwungen, gewohnte Verhaltensmuster loszulassen und das Wollen zu identifizieren. Das bedeutet, wieder auf sich selbst zu vertrauen. Gerade in unsicheren Zeiten scheint das ein schwieriges Unterfangen zu sein. Beobachtet man Kinder, fällt jedoch auf, dass sie sich ständig in einer solchen Bewegung befinden. Alles ist neu und Kinder geben sich dem Neuen viel mutiger hin als wir. Steht uns die Erfahrung im Weg, oder haben wir verlernt unserer eigenen Intuition zu folgen? Ich glaube zweiteres.
Mut, loszulassen und Neues zu entdecken erfordert ein Umdenken von Problemen in Möglichkeiten. Wie bei einem Kind, das die ersten Schritte oder die ersten Schwünge auf den Skiern macht. Ja, auch wir werden hinfallen, darum geht es nicht. Was zählt sind die Male, die wir wieder aufstehen.
Tanja Schug schreibt als Kolumnistin für das Magazin Zukunftsbeweger regelmäßige Beiträge. Das Magazin ist ein wunderbares Produkt der Globalance Bank für Kunden und Partner.
#11 Letter of Inspiration - Flucht in die Sicherheit
In diesem Letter of Inspiration teile ich meine These, warum die Post-Pandemie uns eher lethargisch macht und wie dies damit zusammenhängt, dass wir Menschen gerne den einfachen Weg gehen. Neben den Gedanken zur Flucht in die Sicherheit schreibe ich darüber, wie Tiefe den Kontext auflösen kann. Viel Spaß beim Lesen!
Flucht in die Sicherheit
Die Reaktionen der Post-Pandemie sind anders als erwartet. An jeder Ecke höre ich von Kündigungen, Motivationsschwierigkeiten und Erschöpfungserscheinungen. Nicht nur in den grossen Beratungen, wo häufige Zu- und Abgänge keine Seltenheit sind, sondern überall. Es scheint nicht so, als hätten alle darauf gewartet, dass es wieder losgeht, der Tatendrang fällt verhalten aus. Nein, vielmehr noch beobachte ich eine Flucht, ein Weglaufen aus dem Bekannten. Womöglich weil die Zeit, in der sowohl private als auch berufliche Parameter anders als sonst waren, Fragen aufgeworfen hat, die den Status-Quo kritisch hinterfragt haben. Nun könnte man meinen: zum Glück. Lief doch so vieles zu achtlos an uns vorbei; Klimawandel, Digitalisierung, KI, … Alles ist irgendwie gleichzeitig passiert. So dass wir fast keine Chance hatten uns darüber Gedanken zu machen, geschweige denn eine klare Haltung zu diesen Themen zu entwickeln.
Die veränderten Rahmenbedingungen der letzten Monate, haben die Möglichkeit für die grossen Fragen angeboten. Wo ist mein Platz in Mitten all der Verädnerung? Was sind meine Stärken und bringe ich diese wertstiftend ein? Man könnte daher annehmen, dass die erhöhten Fluktuationsquoten ein Indiz dafür sind, dass die Menschen ihren Bedürfnissen, Wünschen und ja, vielleicht auch Lebensträumen (endlich) nachgehen. Es gab den Moment der Erleuchtung und somit der Klarheit darüber, was man eigentlich will.
Doch statt eines Ansturms auf die eigenen Ideale, höre ich in Gesprächen eher Gegenteiliges - die wenigsten folgen ihrem Weg, sondern treten vielmehr den Weg in die Sicherheit an. Der sympathische Kellner wird zum Call Center Agent (und freut sich über geregelte Arbeitszeiten), die einstige Architektin sucht sich einen Job in der Verwaltung (wo der Akquise-Druck verschwindet), und der Gründer wählt doch wieder die scheinbare Sicherheit, die ein Corporate Job bieten kann.
Was mich daran überrascht ist die Tatsache, dass ich nicht glaube, dass dieser Schritt die Folge einer ehrlichen Auseinandersetzung mit sich selbst ist, sondern doch eher die Wahl der naheliegendsten, einfachen oder logischen Lösung für etwas, dass, wenn weiter damit befasst, nur anstrengend werden würde. Was mich kritisch hinterfragen lässt, wie nachhaltig diese neu gewählten Wege sind? Folgt in einem Jahr dann eine zweite Welle - nicht Corona - sondern eine, die die Sinnfrage erneut aufwirft?
Der Schritt vor den Spiegel
Der Mensch ist so strukturiert, dass er den einfachsten Weg geht. Deswegen stellen wir uns im Supermarkt auch klassischerweise an der längsten Schlange an, denn bei allen anderen könnte etwas nicht stimmen. Dort hinten, wo schon viele warten, das scheint richtig, denn die können nicht alle falsch liegen. Auch lassen sich in Parkanlagen über die Zeit kleine Trampelpfade erkennen, die andeuten, dass es uns logischer erscheint, gewisse Wege abzukürzen. Wir wollen nicht unnötig nachdenken und auch nicht unnötige Meter gehen. Meine Angst ist, dass wir dieses Muster sogar auf unsere Lebensentscheidungen übertragen.
Würde sich der extra Schritt oder intensivere Gedanken denn nicht gerade wenn es um die eigene Zukunft geht lohnen? Wissend, dass die Auseinandersetzung mit dem „was man wirklich will“ keine einfache ist, bin ich dennoch überzeugt, dass es eine Frage ist, die es sich lohnt zu stellen. Gerade in Zeiten von Unsicherheit ist das logisch Wirkende nicht zwingend das Richtige. Man darf den Weitblick jetzt nicht zu verlieren, sondern sollte sich die Zeit und Musse nehmen, aus der Veränderung heraus zu gestalten. Neue Gedanken, einen angepassten Lebensstil, ein neuer Job, all das: ja! Aber doch bitte basierend auf den eigenen Wünschen und Bedürfnissen und nicht aus dem Treiber oder der Hoffnung auf Sicherheit. Wenn uns diese Pandemie etwas zeigt, dann dass nichts sicher ist. Das Vertrauen in sich selbst haben wir jedoch in der Hand, und das wird unser wichtigstes Werkzeug für die nächsten Monate und Jahre sein.
Wie man dieses Werkzeug einsetzt und trainiert, bieten wir vom 21. bis 23. Oktober beim Zero Senses Retreat „Cultivating Presence“ an. Wer momentan nach neuen Impulsen und Inspiration sucht, sollte sich einen Platz sichern.
Was mich kürzlich inspiriert hat: Tiefgang löst Kontext auf.
Ich habe mich neulich in einem Umfeld wiedergefunden, welches ich für mich selbst niemals bewusst ausgesucht hätte. Bröckelnde Wände, ein Bett, das nur eine Matratze am Boden war, und ein Grad an Sauberkeit, der nach Schweizer Massstäben wohl als ungenügend durchgegangen wäre. Und tatsächlich habe ich eine der schönsten Woche seit langem erleben dürfen. Woran liegt das?
Der Künstler James Turrell hat einmal in einem Interview gesagt, “Zuhause ist wo meine Community ist”. Heimat hat für diesen Raum- und Licht-Künstler keine Bedeutung im geografischen Sinne. Sie kann überall dort sein, wo er eine tiefe Verbundenheit mit seinem Umfeld verspürt. Das wurde mir in meinem Beispiel sehr deutlich. Die Gruppe an Menschen und die Tiefe der Verbundenheit ist das, was den Kontext irrelevant werden lässt. Meine These: je stärker die Beziehung, desto irrelevanter wird der Kontext.
In eigener Sache…
Kürzlich ist ein Beitrag von mir im St. Moritz Automobile Club Magazin (SMAC) erschienen. Ganz passend zu dieser Ausgabe des Letter of Inspiration, denn ich schreibe über “Das gute Leben”.
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Artikel: SMAC Magazin - Ein gutes Leben
Früher galt ein Leben als gut, wenn man sich alles leisten konnte. Alles war meistens klassifiziert mit mindestens einem Sommer- und Winterurlaub im Jahr, zwei Autos, einem Haus, vielleicht sogar ein oder zwei Ferienhäuser irgendwo im Süden und in den Bergen. Die neuen Generationen haben weder einen Führerschein, noch lernen sie das Skifahren in der Schule noch. Interkontinental Flüge werden in Zeiten von Greta, COVID und dem überall spürbaren Klimawandel auch kritisch hinterfragt und essen gehen? Ja, aber bitte vegan und mit regionalen Produkten. Ein gutes Leben: Was bedeutet das heute?
"Das Ende des Konsums führt zu einer Neuausrichtung des Luxus. Das Reduzieren, einen minimalistischen Lebensstil führen, schient die Folge des Wohlstands zu sein."- Tanja Schug
Luxus verabschiedet sich vom Überfluss
Mit dem Konsum ist es ähnlich, wie mit dem monatlichen Gehalt, bis zu einer gewissen Höhe, freuen wir uns noch über die Gehaltserhöhung, ab einem bestimmten Punkt, ist jedoch der Grenznutzen erreicht. Es kümmert uns nicht mehr, denn der nächste Sprung müsste ein immens grosser sein, um einen Unterschied in unserem Lebensstil auszulösen. Die letzten 40 Jahre haben wir gute Jahre verlebt. Was ich damit meine? Es hat uns nichts gefehlt, es war alles verfügbar und wenn dann haben wir uns eher die Fragen nach dem Mehr gestellt, aber nie nach dem Ob. Der natürliche Reflex von ständiger Verfügbarkeit führt zur Abwendung, da es langweilig wird. Ähnliches passiert mit dem Konsum. Er ist vulgär geworden, denn wir wollen nicht das nächste Sternerestaurant testen, oder noch ein Auto kaufen, auch braucht es das Haus in Spanien nicht mehr, denn die Kinder fliegen wegen ihres CO2-Fussabdrucks eh nicht. Das Ende des Konsums führt zu einer Neuausrichtung des Luxus. Das Reduzieren, einen minimalistischen Lebensstil führen, scheint die Folge des Wohlstands zu sein.
Der einfache Lebensstil
Luxus hatte immer einen Abgrenzungsnutzen, der sich durch beschränkte Verfügbarkeit oder einen hohen Preis dargestellt hat. Nun banalisieren Plattform-Modelle wie booking.com oder UBER, aber auch Anbieter wie easyJet ein Gut, das lange nur denen, mit dem ‘guten Leben’ vorbehalten war. Heute hat jeder Zugang zu einem Top-Deal im 5* Hotel, der Chauffeur (UBER) holt einem vom Flughafen ab und der eigentliche Flug kostet nur 39.00 CHF. Wenn der Status von Luxus plötzlich demokratisiert wird, spätestens dann stösst dies einen Wendepunkt an. Hinzu kommen die neuen Wege der Kommunikation, die mehr visuell als verbal sind. Das perfekte Instagram-Bild löst die Postkarte aus dem Urlaub ab und WhatsApp erlaubt uns, trotz tausenden von Kilometern Distanz, ständig mit unseren Freunden verbunden zu sein. Am Ende sehnen wir uns nach einer Pause. Einer Pause von all der Verfügbarkeit, dem imperfekten Moment, an den man sich erinnert, weil er eben nicht aussieht, wie aus einer Werbeanzeige abfotografiert.
Ein ausgeprägter Charakter
Zum Zulassen des Imperfekten gehört Mut. Wir wurden Jahrzehnte lang trainiert, wie ein gutes Leben auszusehen hat und nun sollen wir das einfach vergessen? Schwierig und gleichwohl öffnet das einen neuen Weg. Ich wage die These, dass der neue Luxus stark mit der Persönlichkeit verbunden ist und das je stärker wir unseren Charakter ausbilden, desto stärker unser ‘neues Luxusgefühl’ sein wird. Der Weg zum guten Leben der neuen 21er Jahre läutet die Ära der Künstler ein. Individuell und mit einer klaren Haltung.
Podcast: Interview über Intuition & Leadership
Über die Verantwortung Raum für Kreativität zu schaffen: Ein Gespräch mit Tanja Schug
Tanja Schug, CEO & Founder von Zero Senses, läutet ein neues Zeitalter in Unternehmen ein: Das Zeitalter der Künstler. Ihrer Meinung nach ist es wichtig, dass Führungskräfte ihren Mitarbeitern*innen die Freiheit und den Raum geben, um sich frei und kreativ zu entfalten. Denn Persönlichkeit und Beruf hängen sehr eng zusammen: ist der Mensch in seinem Privaten inspiriert, wird er / sie diese Inspiration und Motivation auch wieder ins Unternehmen mitbringen. Dies gilt natürlich auch für die Führungskräfte selbst: auch sie sollen ihr inneres Kind wieder aufwecken. Es gilt die Ecken und Kanten, die wir so perfekt gelernt haben zu vertuschen, um Teil von etwas zu sein, wieder aufzudecken. Denn das macht uns als Menschen aus. Wir müssen wieder lernen mehr auf unsere Intuition zu hören, als uns auf unsere Ratio zu fokussieren.