
Dieser Letter of Inspiration befasst sich mit starken Themen. Es geht um Macht, Geld und Betrug. Was wie der Anfang eines James Bond Films klingen mag, bringt im Kern womöglich eine mehr poetisch und philosophische Sichtweise auf diese klassischen Bilder. Viel Freude beim Lesen.
Die Macht des Geldes
Haben Sie schon einmal versucht, einen Tag lang kein Geld auszugeben? Kein Coffee-To-Go auf dem Weg ins Büro, keine Tram oder Uber zum Termin, auch kann das Auto nicht im Parkhaus abgestellt werden. Der Lunchtermin wird zum Spaziergang, gegessen werden mitgebrachte Sandwiches, zum spontanen Abendessen mit Freunden im neuen Trend-Restaurant müssen Sie leider nein sagen. Auch die Tennisstunde am Nachmittag fällt aus. Wie fühlt sich das an? Ich habe diesen Selbstversuch neulich gemacht. Der erste Moment ist beklemmend, einengend und zudem fühlt man sich sozial ausgeschlossen. Im zweiten Moment hat das ganze Experiment jedoch auch etwas befreiendes, nicht alles möglich machen zu müssen (oder zu können). Nein-sagen ohne schlechtes Gewissen, denn man kann schlichtweg kein Geld ausgeben und ist somit optionlos. Und ganz entscheidend: mehr Zeit. Eine Frage bleibt: Hat Geld Macht über uns oder unser Wunsch der Zugehörigkeit?
Andersherum gedacht: Wenn Geld keine Rolle spielt (da vorhanden), macht es Dinge gar komplizierter? Denn es eröffnet plötzlich andere Fragen. Nur ein paar Beispiele…Sollte ich zu diesem Essen gehen, schließlich kommt ein Botschafter, oder der Boss, oder gar der Bundeskanzler? Es wäre gut, gesehen zu werden oder in Kontakt zu bleiben, nicht? Oder Sie brauchen ein neues Auto und der Fächer an Optionen geht auf: Sportlich oder elegant, SUV oder Coupé? Protzig oder dezent? Benziner oder Elektro? Kommt Geld vielleicht auch mit einer gewissen Komplexität und der Verantwortung, sein Leben auch zu teilen? Egal, ob das nun mit der Öffentlichkeit, Freunden oder Geschäftspartnern ist, man mag großzügig sein. Das beinhaltet jedoch nicht nur das eigene Geld, sondern eben auch die eigene Zeit. Finanzielle Engagements beinhalten auch Sichtbarkeit. Vergleicht man das zum 1-Tages-Experiment „Zero-spending“, zeigt sich das Gegenteil, die Komplexität ist raus und die Mehrzeit für einen selbst gesichert. Dieses Wissen ist natürlich nützlich, vor allem wenn man kurz davor ist, ein Projekt abzuschließen oder sein Buch schreiben zu wollen. Zero-spending hilft dem eigenen Fokus und vereinfacht das Leben ungemein.
Gehen wir mal aus dem Extrem, also weg von zero. Wo liegt die Balance, wenn alles möglich ist? Wie viel Zugehörigkeit oder Sichtbarkeit braucht es und wie viel Einsamkeit ist fruchtbar? Mit der Wahl meiner Treffen entscheide ich, was oder wer mir wichtig ist. Mit der Wahl meiner Orte entscheide ich, in welchem Kontext ich gesehen werden will. Was ich konsumiere, intellektuell oder im wahrsten Sinne, zeigt, wer ich bin. Für mich beantwortet das die Frage, was Macht über mich hat: Je mehr ich selbst bin, desto mehr liegt die Macht in meinen Händen.
Was mich kürzlich inspiriert hat: Betrug.
Vermutlich nicht das Thema, über das man normalerweise liest, noch schreibt. Und dennoch werden viele Führungskräfte mit Fällen, die zu Misstrauen oder dem Verlust von Vertrauen führen, konfrontiert. Was tun in einem Moment des Betrugs? Kann man diesen Personen überhaupt wieder vertrauen und mit ihnen weiterhin zusammenarbeiten?
Der kontrovers diskutierte kanadische Psychologe Jordan Peterson hat in einem Beitrag zu genau dieser Frage mit Dante Alighieris Inferno, mit dem ersten Teil seines legendären Gedichts der Göttlichen Komödie geantwortet. Das Bild, das Dante über die Hölle zeichnet, ist das wohl bekannteste und am meisten genutzte. Am tiefsten Punkt, am Grund der Hölle, sitzt der Teufel. Nun aufgepasst, nur einen Rang über ihm hat Dante die Betrüger gesetzt! Fast eins mit dem Teufel. Die Schwierigkeiten der Frage, ob man Betrug verzeihen kann, ergibt sich von selbst und verbindet sich vielleicht mit der Frage, ob man bereit ist, das Risiko einzugehen, sich die Finger noch einmal zu verbrennen. Wir neigen dazu, das Gute im Menschen zu sehen. Doch ein Betrüger hingegen braucht Zeit, das Gute in sich selbst wieder zu sehen. Es ist ein langer Weg, sich vom fast tiefsten Punkt der Hölle, wieder nach oben zu arbeiten. Sicher auch kein leichter.
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