Luxus ist orientierungsgebend, begehrenswert und anmutig. Doch sind die Bilder, die uns hierzu in den Sinn kommen noch zeitgemäss, oder ist der klassische Luxus ein Auslaufmodell?

Es ist bemerkenswert, wie ein paar wenige, internationale Designer mit ihren auf den Laufstegen in Paris, Mailand und New York präsentierten Kollektionen vorgeben, was in der nächsten Saison getragen wird. Ein Blick auf die Instagram-Seiten der Uhren- und Luxusautohersteller löst Sehnsüchte und Faszination aus. Diese Gegenstände wurden lange Zeit für ihre Präzision bewundert. Für die fast liebevolle Genauigkeit, mit der beispielsweise ein Kleid von Oscar de la Renta handgefertigt und Perle für Perle bestickt wird. Der Charakter der Einzigartigkeit schwingt bei jedem Schritt in einer solchen Robe mit, ebenso wie bei jeder Fahrt in einem Bugatti oder beim Blick auf die Patek Philippe am Handgelenk. Einmal erlebt, möchte man dieses Gefühl nicht wieder aufgeben. Die Qualität des Produkts, wie auch das Versprechen, welches auf den Besitzer übertragen wird, machen süchtig. Gefühlt steigt mit dem Besitz eines Luxusproduktes auch der eigene Status. Aus gutem Grund:

Luxus galt Jahrzehnte als Seismograph für den Massenmarkt. Was in der Luxusgüterindustrie vorgegeben wurde, war wenig später für die Allgemeinheit erhältlich. Natürlich adaptiert, nachempfunden und ja, teilweise auch kopiert. Der Mensch hat einen intrinsischen Drang zur Weiterentwicklung. Diese fällt leichter, wenn man sich am nächst besseren orientiert. So holen sich die 3 und 4 Sterne Hotels Inspiration bei den prächtigen und traditionsreichen 5 Sterne Häusern und Luxusfashion-Designer sind richtungsweisend für die Kollektionen des gemeinen Handels. Luxus hat etwas Magisches. Wer ihn sich leisten kann, wird schnell zum Vorbild und löst Sehnsüchte, sowie ein unbändiges Verlangen der Zugehörigkeit bei anderen aus. Ist das heute wirklich noch so? Besitzt Luxus noch diesen magischen Charakter?

Wir müssen den Ursprung kennen, um seine Konsequenz zu verstehen

Der Ursprung des Wortes ‚Luxus’ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet ‚Verschwendung’. Damit sind Gegenstände beschrieben worden, die über den alltäglichen Gebrauch hinausgehen und die früher weitläufig auch als sinnlos oder unnötig bezeichnet wurden. Wer es sich leisten konnte, der zeigte das mit dem Erwerb dieser Güter. Doch wie sieht ein solches Szenario in einer Wohlstandsgesellschaft aus, in der das Unnötige einen bereits täglich umgibt und Entwicklungen wie die Digitalisierung unser Konsumverhalten völlig verändern. Eine Traditionsindustrie, wie die Luxusbranche kann hierbei schnell ihren Zauber verlieren. Luxus lebt von der Magie der Codierung, dagegen steht ‘online’ für seine Transparenz; Luxus ist exklusiv und schliesst aus (lat. excludere = ausschliessen), online inkludiert; Luxus erzeugt seine Macht durch Verknappung, online schafft Mehrwert über ständige Verfügbarkeit. Wenn der Status von Luxus plötzlich demokratisiert wird, spätestens dann stösst diese Industrie an einen Wendepunkt.

Wissen löst Status ab

Auf der Suche nach Werten ist Materialismus uninteressant geworden. Das Verständnis von Luxus entwickelt sich weg von seinem Statusnutzen hin zu einem Kennerschafts-Thema. Letztendlich definiert die Tiefe des Wissens zum Produkt den Level unseres Genusses. Ein Beispiel, dass dies wunderbar veranschaulicht, sind Menü-Präsentationen in Sterne-Restaurants. Hier findet der lokale Bauer eine namentliche Erwähnung, zudem werden die Pilzarten im Detail beschrieben und Begriffe wie “Krause Glucke” tauchen erstmalig in unserem Vokabular auf, ebenso wie die Milchkuh, die das Grundprodukt für das Dessert liefert, eine Nennung wert ist. Alles Wege, um dem Produkt (noch mehr) Bedeutung zu geben. Luxus definiert sich plötzlich nicht mehr über das Viele, sondern das Was und verändert sich im Verständnis vom äusserlich Sichtbaren hin zum persönlich Wertvollen.

Das Zeitalter der Connoisseurs

Sichtbar wird das in der wieder aufkommenden Wertschätzung für Handwerkliches. Diese Entwicklung zeigt sich im Interesse für handgefertigte Schuhe, restaurierte Vintage Möbelstücke, bis hin zum selbst gerösteten Kaffee. Das Ende des unnötigen Konsums führt zu einem neuen Anspruch an das Wenige, das man sich gönnt. Und das geht weit über Kleidung hinaus. Es geht um Kennerschaft in Bereichen, für die man ein intuitives Interesse hegt, von Oldtimern bis hin zu Weinen. Ich brauche keine grosse, reife Bordeaux Sammlung im Keller, wenn meine Leidenschaft und mein Interesse in eleganten, seidigen Pinot Noirs verborgen liegt. Das Auslaufmodell Luxus findet sich in einem neuen Level des Anspruchs und der Klarheit für den eigenen (immateriellen) Genuss wieder. Ein Derivat daraus ist das gute Gespräch mit Gleichgesinnten. Nicht showing-off, sondern Tiefgang.

This article was published in Spring 2020 in the Member Magazine of the St. Moritz Automobile Club (SMAC).