Feiertage im Allgemeinen, und vor allem die zum Jahresende, laden zu einem Rückblick ein. Neben Gedanken, was die Highlights und die weniger guten Momente waren, habe ich mich zum Ausklang gefragt, welche Folgen das neue Normal auf unsere Gewohnheiten hatte.

Verlust des eigenen Anspruchs

Unser gewohnter Alltag hat sich dramatisch verändert. Die Empfehlung im Home Office zu bleiben ist wieder aktiv. Zudem gilt für Treffen und alle Arten von Events ein ständiges Einlassen auf den Moment. Denn der lang geplante Anlass oder das Meeting muss möglicherweise doch in der letzten Sekunden abgesagt oder angepasst werden. Unsere Improvisationskraft ist mehr denn je gefragt, und nur wer permanent in Bewegung bleibt schafft es, nicht in der Vergangenheit der schönen, alten und Pandemie-freien Welt verloren zu gehen. All dieser Aufwand scheint uns die Energie für unseren Anspruch und die Freundlichkeit zu nehmen. E-Mails werden kürzer und die Antwortdauer immer länger. Die Anrede kann schon einmal verloren gehen, ebenso wie die Grußformel in einer Nachricht. Plötzlich sieht man die einstigen Anzugträger, die über den Paradeplatz in Zürich gelaufen sind, in Jeans und Rollkragenpullover. Die Restaurants, um dessen Plätze man sich für einen Mittagstisch in der Zürcher Altstadt sonst gedrängt hat, haben selbstverständlich, auch am selben Tag, noch etwas frei. Und den Anspruch an den eigenen Dresscode hat wohl jeder für sich selbst neu definiert. Das Revival der Jogginghose lässt grüssen.

Die Baubranche genießt eine Übernachfrage. Wenn man die Tage zuhause online und in Zoom Meetings verbringt, will man sich in der eigenen Blase zumindest wohl fühlen. Unser Einzug in die digitale Welt lässt uns unseren Anspruch aus der (alten) Realität vergessen. Weihnachtskarten, die früher noch per Hand unterschrieben wurden, kamen in diesem Jahr per WhatsApp, wenn überhaupt. Es wirkt, als würden sich viele fragen: Wofür das eigentlich noch? Hat die Pandemie dazu beigetragen ein neues Zeitalter einzuleiten, in welchem neue Regeln des Stils und Anstands definiert sind? Wurden wir freundlicher zu uns selbst und haben uns vergeben, dass wir nicht mehr jeden Morgen der Yoga- oder Workout-App folgen? Haben wir gelernt, dass es doch schön ist, Zeit mit den Menschen zu verbringen, die uns nahe sind, anstelle die Welt für andere oder ein übergeordnetes Ziel zu bereisen? Und hat das dazu geführt, dass wir beginnen Erfolg neu zu definieren? Stärker, höher, weiter scheint uns gleichgültiger zu sein - und auch online weniger greifbar. Doch was ist es dann, das uns in dieser neuen Phase wichtig ist?

Der Mensch sucht immer nachdem was er nicht haben kann. Die auferzwungene Spontanität führt womöglich dazu, dass wir uns Beständigkeit wünschen. Das kann in Form eines Wohnortes sein, gewohnter Produkte oder Beständigkeit im persönlichen Umfeld (Arbeit, Familie, Partner, Freunde).

Wie schafft man es aber als Unternehmer seinen Mitarbeitern und Kunden diese Beständigkeit zu geben, sollte die Frage sein, mit der wir uns Anfang 2022 befassen.

Mehr Inspiration dazu, gibt es hier.

Was mich kürzlich (nicht) inspiriert hat? Langeweile.

Konnte man früher noch Geschichten von den letzten Reisen oder Geschäftsterminen erzählen, tauscht man sich heute über den Bäcker, der das beste Sauerteigbrot backt, oder die neue Netflix Serie aus. Gespräche werden langweilig, es passiert nichts mehr. Unser Leben verliert ein Stück an Bedeutung, denn wir sind armer an Erlebnissen geworden.

„(…) In einer Gesellschaft, die daran gewöhnt ist, derartige Vergleiche zu ziehen, wird der allen sichtbare Erfolge zur Grundlage des Ansehens und zum Selbstzweck. Man demonstriert die eigene Leistung, um Prestige zu gewinnen und der Missachtung zu entgehen. (…)“ von Thorstein Veblen aus Theorie der feinen Leute.

Wir sind es nach zwei Jahren Pandemie nicht mehr gewohnt uns gesellschaftlich zu bewegen und Gespräche zu führen, was in der Definition nach Thorstein Veblen, ein Wirtschaftswissenschaftler aus dem 19. Jahrhundert, der als einer der Ersten über das Konsumverhalten nachdachte, die Schlussfolgerung zulässt, dass wir unseren gesellschaftlichen Status verlieren. Einziger Trost: Wenn das jedem so geht, definieren sich womöglich unsere Statussymbole bald neu.

Verlust des eigenen Anspruchs